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  Ein Leben für die Wölfe
 

Welzheimer Zeitung 6. Dezember 2008
Text: Astrid Szelest

Ein Leben für die Wölfe


Laetitia Becker, eine 25-jährige Biologin aus Frankreich, hat sich für ein Leben mit Wölfen in Russland im Team des Wolfsforschers Vladimir Bologov entschieden. Sie war zu Besuch bei Astrid und Rüdiger Szelest, die zwei Sommer bei dem Forscher verbracht haben.

Im Jahr 2004 kam die Biologiestudentin für 4 Wochen als Ökovolontärin in die Forschungsstation zu Vladimir Bologov. Sie lernte viel über Wölfe und verliebte sich in die Weiten der südwestlichen Taiga. Obwohl Laetitia Becker keinen einzigen Wolf gesehen hatte, kehrte sie im Sommer 2005 nach Russland zurück, um ihre Diplomarbeit über Wölfe zu schreiben. Nun lebt die junge Forscherin allein mit ihrem Hund in einem alten Holzhaus, schreibt an ihrer Doktorarbeit und verbringt jeden Tag viele Stunden bei einem Wolfsrudel. Es sind noch wenige Häuser in dem Dorf, in dem sie lebt, bewohnt. Die jungen Menschen sind längst in die Städte gezogen. Ein fahrender Lebensmittelhändler versorgt einmal wöchentlich die wenigen Älteren. Wie in früheren Zeiten heizt Laetitia Becker mit Holz und holt ihr Wasser aus dem nahen Fluss. Auf die Stromversorgung ist kein Verlass, oft steht tagelang keine Elektrizität zur Verfügung. Astrid und Rüdiger Szelest haben Laetitia Becker in den vergangenen beiden Sommern während ihres Aufenthalts bei Vladimir Bologov besucht. Kürzlich war sie im Naturkundemuseum Stuttgart zu Gast und informierte im Rahmen der Wanderausstellung „Wölfe“ über ihre Arbeit. In namhaften Zeitungen und im Fernsehen wird weltweit über die junge Frau, die unter den Wölfen lebt, berichtet. 

Jeder Tag als neue Herausforderung

Bevor sie nach Frankreich weiterreiste, hat sie einen Besuch beim Ehepaar Szelest in Welzheim gemacht und stand für folgendes Interview zur Verfügung:
 
Laetitia, was ist das Besondere an der Arbeit mit Wölfen?
Wölfe sind sehr faszinierende Tiere. Ihr Verhalten interessiert mich und sie sind perfekt für meine Studie. Ihr Sozialverhalten, die Kommunikation, ihr Kontakt und das Spiel in der Gruppe, all das machen meine Observationen sehr spannend. Ich möchte mit meiner Forschung das Wissen um diese geheimnisvollen Tiere erweitern. Denn nur ein umfangreiches Wissen über Wölfe ist ein erster Schritt, langfristig das Zusammenleben von Wölfen und Menschen zu ermöglichen.
 
Haben Sie Familie?
Ja, ich habe eine große Schwester, einen großen Bruder und eine Zwillingsschwester.
 
Was denkt Ihre Familie über ihre Arbeit mit den Wölfen?
Meine Familie ist glücklich, so lang ich glücklich mit meinem Leben und meiner Arbeit bin. Die weite Entfernung zwischen uns ist nicht einfach, aber wir sind in Mailkontakt. Ich wollte schon immer so etwas in meinem Leben machen und hoffe, dass sie stolz auf mich sind.
 
Was möchten Sie mit Ihrer Wolfsforschung erreichen?
1993 hat Vladimir Bologov ein Rehabilitationsprogramm für Wolfswelpen gegründet. Die Wölfe verbringen den kalten und harten Winter in unserer Obhut und werden dann vor dem nächsten Winter in die Freiheit entlassen. Genauso, wie die Wölfe in der Wildnis das Rudel verlassen. In meiner Doktorarbeit möchte ich über die Methode, die wir anwenden und den Erfolg berichten. Wie die Wölfe in der Wildnis zurecht kommen, sich ernähren und wie ihr Verhalten gegenüber Menschen ist. Wenn sich die Methode bewährt, kann sie für andere Wolfsschutzprojekte hilfreich sein, wie zum Beispiel den Mexikanischen Wolf, den Mähnenwolf in Amerika, den Äthiopischen Wolf und den Afrikanischen Wildhund.
 
Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?
Die Arbeit mit Wölfen unterscheidet sich nicht von der Arbeit mit anderen Tieren. Du musst leise, geduldig, tolerant und respektvoll sein. Wenn die Wölfe begreifen, dass du keine Gefahr für sie bist, lassen sie dich ihr Leben beobachten.
 
Wie hart ist Ihr Tag?
Meine Arbeit ist nicht anstrengend, solange ich geduldig bin. Es dauert lange, bis wilde Welpen mich akzeptieren. Jeder Tag ist eine Herausforderung und jeder noch so kleine Schritt nach vorne macht mich glücklich.
 
Was wünschen Sie sich für die Wölfe?
Ich hoffe, dass die Wölfe (12 an der Zahl), die ich aufgezogen habe, in der Wildnis überleben und sich einem Rudel anschließen. Für die nächsten Wölfe, die in die Freiheit entlassen werden, wünsche ich mir ein GPS-System. Nur so habe ich die Möglichkeit, ihnen in den Wäldern zu folgen und herauszufinden, wie sie in der Wildnis zurechtkommen.
 
Möchten Sie rgendwann wieder in Ihr früheres Leben nach Frankreich zurückkehren?
Nein, im Moment nicht. Ich glaube nicht, dass ich noch in einem hochzivilisierten Land leben kann. Ich brauche Weite, Stille, Frieden und Wildnis.