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  Rückkehr der Wölfe
 

Pressemitteilung Juli 2009
Text: Astrid Szelest

Rückkehr der Wölfe 


 
Baden Württemberg ist Wolfserwartungsland. Nach über 160 Jahren kehrt der Wolf langsam und auf leisen Pfoten zurück. Darauf wies das Umweltministerim in einer Pressemitteilung in diesem Frühjahr hin. In den Weiten Russlands haben die Wölfe ihren Platz zum Leben. Astrid und Rüdiger Szelest engagieren sich seit einigen Jahren für ein russisches Wolfsprojekt. Mit Informationsabenden und Ausstellungen informieren sie über Wölfe, sammeln Spenden und haben ein Ökovolontärprgramm in Russland mit initiiert. Durch Spendengelder aus Welzheim, Schorndorf, Backnang und tatkräftiger Hilfe Freiwilliger, auch aus dem Rems-Murr-Kreis, wird ein Umweltbildungs- und Wolfsinformationszentrum umgebaut. Gemeinsam mit Thomas Bleile und Gisela Müller waren sie in der südwestlichen Taiga. Hier ihr Bericht:

               
      Laetitia Becker organsisiert und koordiniert das Ökovolontärprogramm mit ihrer Organisation Lupus Laetus

Schon von weitem hört man, mitten in der russischen Wildnis, fröhliches Lachen. Sybille sitzt in der Sonne und schnitzt an einem Türgriff, während Fernand ein Fenster mit Schmirgelpapier bearbeitet. Die beiden gehören der Gruppe von Ökovolontären an, die eine alte Schule in ein Wolfsinformationszentrum ausbaut. Die Schule liegt nur wenige Kilometer von der Biologischen Station Chisty Less im Dorf Chistoe, rund 450 Kilometer nordwestlich von Moskau, entfernt. Äußerlich relativ gut erhalten, gibt es innen doch großen Renovierungsbedarf. Daniel aus England betreut ehrenamtlich die Projektarbeiten von Anfang Juni bis Mitte August. Er arbeitet in seiner Heimat für die Umweltschutzbehörde und hat umfangreiche Erfahrungen im Baubereich. 
              
               
                                                 Vladimir Bologov und Daniel aus England

In den vergangenen Monaten haben wir Spendengelder für das Infozentrum gesammelt. Insgesamt konnten wir dem russischen Wolfsforscher Vladimir Bologov und Laetitia Becker 3.000 € übergeben. Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V., deren Mitglieder wir sind, unterstützt dieses nachhaltige Projekt. Über 20 freiwillige Helfer, auch aus dem Rems-Murr-Kreis, werden bis Mitte August in Russland aktiv sein. 
                
Untergebracht sind die Volontäre in Zelten. Auf Grund mehrerer Regenstürme und nächtlichen Moskitoattacken haben sie sich entschieden, diese in der alten Schule aufzubauen. Das Gebäude war über Jahrzehnte nicht genutzt und die Fenster sind beschädigt. Für Schwalben ein idealer Ort um Nester zu bauen. Bis die jungen Vögel flügge sind bleibt deshalb ein Fenster offen. In einem Zimmer steht ein provisorischer Tisch mit Bänken, einem Wasserkocher und einer elektrischen Herdplatte. Auf die Stromversorgung ist kein Verlass und Ausfälle über mehrere Tage sind keine Seltenheit. Fließend Wasser? Fehlanzeige! Die Wasserversorgung erfolgt mit Muskelkraft und zwei Eimern an einer Quelle. Gewaschen wird sich im See. Bei den frühsommerlichen Temperaturen ist die Kneippanwendung dann inklusive. Auch das altehrwürdige Klohäuschen wurde wieder zum Leben erweckt. Schon nach kurzer Zeit sind die Helfer in das Dorfleben von Chistoe integriert und können samstags das Badehaus nutzen. Ähnlich einer Sauna wird die russische Banja mit Holz auf rund 100 Grad beheizt. Breite Schüsseln dienen als Dusche. Am Abend treffen sich die Volontäre mit den Betreuern und Einheimischen am Feuer. Bis in den Morgen wird erzählt, gespielt und gelacht.
 
                 
                                                Gillfeuer am Samstag Abend

Sicher ist diese Art von Urlaub nicht jedermanns Sache. Hélène ist traurig, als sie nach zwei Wochen wieder zurück nach Frankreich fliegt. In einem Team für eine gute Sache zu arbeiten, die Ruhe und die unberührte Natur haben sie fasziniert. Ihr Blick geht zum See: “Ich komme wieder – bald!“.

                   
                                                Ökovolontäre Hélène, Sybille und Candice                

Vladimir Bologov ist dankbar für die internationale Unterstützung. Er erforscht seit über 30 Jahren das Verhalten von Wölfen und setzt sich für ihren Schutz ein. Obwohl die Wolfspopulation in Russland mehr und mehr zurückgeht, werden die Tiere das ganze Jahr über gejagt. Sein Wolfsprojekt ist Forschungsstandort der Universtät Moskau. Wir treffen Andrey Poyarkov. Der Professor ist mit seinen Studenten jedes Jahr mehrere Monate im Projekt aktiv. Für den internationalen Wildbiologenkongress nehmen die Forscher das Heulen der Wölfe auf. Während unserer Zeit im Feld, in der Nähe von Wolfsrudeln, haben wir leider nichts gehört. Frische Spuren haben aber gezeigt, dass die Tiere ganz nah waren. Aufklärung und Information der Bevölkerung, so Poyarkov, sind wichtige Punkte im Zusammenleben von Mensch und Wolf.
 
Das Umweltbildungs- und Wolfsinformationszentrum soll ein Ort der Begegnung und Kommunikation werden. Vladimir Bologov und Laetita Becker erwarten rund 300 Besucher pro Monat. Neben Schulklassen, Studenten und Wissenschaftlern soll auch Interessierten die Möglichkeit geboten werden, sich ganzjährig über Wölfe zu informieren. Mit den gesammelten Spenden kann der erste Bauabschnitt fertig gestellt werden. Weitere Spenden werden für die Innenausstattung und den Außenbereich benötigt.
 
Neben den Arbeiten am Infozentrum haben wir Bologov beim Reparieren der Zäune an den Gehegen unterstützt. Er kauft Welpen von Jägern und aus Zoos auf, zieht sie in den Gehegen mit möglichst wenig Kontakt zu Menschen auf, beobachtet ihr Verhalten und wildert sie aus. In den Umzäunungen sind Kameras installiert. Im russischen Fernsehen und im Internet werden regelmäßig Filme über Vladimir Bologovs Wölfe gezeigt. Für den Forscher ist dies eine moderne Art der Umweltbildung. Eine Möglichkeit über diese fasznierenden Tiere zu berichten und informieren.
 
Der Frühsommer hat die Taiga erreicht. Heiße, schwüle Tage, kräftige Regenschauer mit Gewittern und Kälteeinbrüchen wechseln sich ab. Immer wieder sind wir von der Artenvielfalt der ursprünglichen Wiesen und Wälder überrascht. In den Mittsommernächten wird es nicht richtig dunkel, der Himmel verfärbt sich dunkellila mit einem orangefarbenen Streifen am Horizont. Das Vogelkonzert mit Nachtigall, Kuckuck und Kauz ist beeindruckend. Ein Jungbär ist in der Nähe der Forschungsstation unterwegs. Wir bringen jeden Abend unsere Schuhe in Sicherheit, da er mit Vorliebe den Geschmack dieser testet. Warum Menschen früh morgens ohne gejagt zu werden durch den Wald rennen wird ihm sicher ein Rätsel bleiben. Er hat sich auf jeden Fall bei diesem Anblick schnellst möglichst in die Büsche verzogen.
 
Die Bestände der vom Menschen vor rund 150 Jahren ausgerotteten oder auf kleine Inselpopulationen zurückgedrängten Großjäger Wolf, Luchs und Bär nehmen europaweit wieder zu. Seit dem Jahr 2000 gibt es auch in Deutschland wieder Wölfe, aktuell rund 50 bundesweit. 1847 wurde der letzte Wolf in Baden Württemberg, im heutigen Naturpark Stromberg, erschossen. Nach über 160 Jahren rechnen Wildbiologen damit, dass der Wolf in Kürze wieder bei uns heimisch wid. Die nächsten und wachsenden Wolfsbestände sind nur 300 Kilometer, im französisch-italienischen Alpengebiet, entfernt.
 

von links nach rechts: Thomas Bleile, Astrid und Rüdiger Szelest, Gisela Müller, Daniel aus England, Vladimir Bologov